Die Nationalistische Front (NF)
Gegründet :
16. November 1985
Sitz :
Steinhagen
Vorsitzender :
Meinolf Schönborn
Publikation :
 
Anzahl der Mitglieder :
 

Bundesinnenminister Rudolf Seiters verbietet die NF am 27. November 1992.

Die Nationalistische Front wurde am 16. November 1985 in Steinhagen bei Bielefeld als Zusammenschluß der Nationalen Front und des Bundes Sozialrevolutionärer Sozialisten gegründet. Auch ehemalige Funktionäre der NPD und der verbotenen Volksozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) fanden unter dem Dach der neuen Partei wieder eine legale politische Heimat.

Organisatorisch bildet die Nationalistische Front eine Kaderpartei, deren Ziel in der Rekrutierung und Konditionierung von nationalistischen Führungskräften liegt. Unterhalb der Führungsebene

Bundesorganisation mit Bundesvorsitzendem, Stellvertreter, Kassenwart, Beisitzer und Bundesschiedkommission arbeiten die  Gaue mit ihren Zellen.

Die NF besitzt auch einen Jungsturm Deutschland, dem jeder 14jährige beitreten kann, der "schon im Rahmen seiner Möglichkeiten für Deutschland kämpfen" und "zur neuen Garde der revolutionären Nationalisten gehören möchte".

Daneben kann jeder, "der nicht an der 'Front' kämpfen kann", Mitglied im Förderkreis "Junges Deutschland" werden.

Die Aufnahmebedingungen für die Nationalistische Front sind äußerst rigide, das angehende Mitglied muß erst eine halbjährige Probezeit als NF-Anwärter absolvieren, während der ein Grundseminar zu besuchen ist. Die Partei erwartet von ihren Kadern auffällig konkrete Spezialkenntnisse, wie z.B. in Fernmeldetechnik, im Zivilschutz, Funklizenzen, Funkgeräte, elektronische Fähigkeiten, Führerschein, Steno-, EDV-Kenntnisse, erfragt die körperliche Belastbarkeit, die politischen Auslandskontakte, journalistische Betätigungen, Foto-, Video-Ausrüstung, graphische Fähigkeiten, Waffenschein, Kontakte zu anderen politischen Organisationen und Parteien in Westdeutschland.

Seit  Ende 1991 ermittelte der Generalbundesanwalt gegen den damaligen Bundesvorsitzenden und Generalsekretär der NF, Meinolf Schönborn, und dreizehn weitere Aktivisten wegen des Verdachtes der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a). Schönborn hatte zur Schaffung von Nationalen Einsatzkommandos (NEKs) nach dem Vorbild der Freikorps in der Weimarer Republik aufgerufen. Die Ermittlungen der Polizei hatten am 11. März 1992 Hausdurchsuchungen zur Folge; im Gegensatz zu dem üblichen Vorgehen gegen Linke mit gleichem vermuteten Straftatbestand, wurden Schönborn und seine Kameraden weder festgenommen noch an ihrer weiteren politischen Tätigkeit gehindert.

Der Schönborn oppositionell gegenüberstehende Flügel um den Berliner Andreas Pohl trennte sich im Zusammenhang mit dem Vorstoß zur Gründung von Terrorkommandos von Schönborn und seinen Anhängern und wählte auf einem außerordentlichen Parteitag am 8. August 1992 in Kremmen bei Oranienburg einen neuen Bundesvorstand. Bundesvorsitzender ist nunmehr Andreas Pohl, vormals Frontmann der Skinhead-Band Kraft durch FrOIde. Der Parteitag hielt fest, daß die NEKs einzig und allein Schönborns Privatidee gewesen seien. Die Kampfausbildung solle aus der Partei herausgenommen und einer besonderen Organisation übertragen werden. Vorgesehen ist dafür der Deutsche Hochleistungskampfkunstverband. Die NF-Mitglieder in den neuen Bundesländern sind am Dienst in der Bundeswehr sehr interessiert und melden sich in der Regel freiwillig, gehen sogar eine mehrjährige Verpflichtung ein oder bewerben sich für ein Studium an einer der Bundeswehrhochschulen.

Der Berliner Landesverband besitzt in Charlottenburg ein eigenes Schulungszentrum. Traditionell hatte diese Kameradschaft seit Jahren gute Verbindungen nach Ostberlin, vor allem in die Hool-Szene um die Fußballclubs FC Union und BFC Dynamo) und ins Umland. Nach dem Fall der Mauer wurden diese Beziehungen sofort ausgeweitet und neue Organisationsstrukturen kreisförmig um Berlin entwickelt. Die stärksten Gruppen bilden die Kameradschaften Kremmen, Velten, Hohen Neuendorf/Hennigsdorf, Königs Wusterhausen und der Verbund Schwedt-Garz-Eberswalde. Kontaktmann zur Berliner Fraktion war der jetzige Vorsitzende der Bundesschiedskommission Axel Grunow. Außer in Brandenburg konnte sich die NF auch in Halle und im Raum Halberstadt fest etalblieren. Der rechtsextreme Anwalt und NFler Jürgen Rieger beabsichtigte den Kauf eines Grundstückes, um ein neues Schulungs- und Ausbildungszentrum in der ehemaligen DDR einzurichten. In Detmold-Pivitsheide und in Bielefeld hatte die NF bereits Immobilien zu diesem Zweck gepachtet bzw. gekauft.

Am 26. November 1992 wurden die Nationalistische Front und alle Ersatzorganistionen durch den Bundesinnenminister verboten. Das bevorstehende Verbot war schon tagelang durch die Presse gegangen. Bei den Haussuchungen wurden dann auch kaum strafrechtlich relevante Materialien gefunden. Interessanterweise bezieht sich die Verbotsverfügung inhaltlich nur auf den Flügel um Meinolf Schönborn, der von Innenminister Seiters und der Tagespresse unisono und wider besseres Wissen als Bundesvorsitzender der NF vorgestellt wurde. Das Verbot dürfte keinen Bestand haben, da die Behauptung, die NF sei "keine Partei gem. Art. 21 des Grundgesetzes" unrichtig ist und keiner juristischen Überprüfung standhalten wird. Die Nationalistische Front ist beim Bundeswahlleiter als Wahlpartei eingetragen, ist spendenberechtigt und hat bereits mehrfach an Wahlen teilgenommen, allein im vergangenen Jahr 1992 an den Wahlen in Berlin und im fränkischen Kelheim .

Die Innenminister der Länder haben keinerlei Anstalten unternommen, die Ersatzorganisationen der Nationalistischen Front ebenfalls aufzulösen. Als Kader- und Elitepartei fungiert die Sozialrevolutionäre Arbeiterfront (SrA), als Massenorganisation das Förderwerk Mitteldeutsche Jugend. Das FMJ "leistet Aufklärungsarbeit", Mitglied kann jeder werden, der "deutsch ist, deutsch denkt und deutsch handelt".

In Detmold-Pivitsheide unterhält die NF den "Klartext-Verlag", eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der Schönborn finanziell beteiligt ist. Klartext gibt Kataloge heraus, in denen u.a. Devotionalien mit dem Bild von Rudolf Hess, Odal-Runen als Anstecker, Buttons mit der Aufschrift "Ich bin stolz, ein Neonazi zu sein", "I love Eva Braun", T-Shirts mit stilisiertem Hakenkreuz und dem Schriftzug "Blut - Ehre", antisemitische Aufkleber und einschlägige Literatur (Werwolf - Winke für Jagdeinheiten, Militärischer Nahkampf, Der Kampf im bebauten Gelände, Gefechtstechnik, Dein Verhalten bei Polizei und Justiz) angeboten werden.

Periodisch erschienen bis 1988 Klartext, danach bis 1990 die Nachrichten aus der Szene (NAS) und bis zum Verbot die Zeitschriften Aufbruch, "Revolte", Umsturz, Volkskampf, Hetzer,  der Kremmener Beobachter und der Kelheimer Beobachter.

Die ideologische Basis bilden das Grundsatzprogramm und das Aktionsprogramm, die sich auf eine rechtsextreme Variante des "Befreiungsnationalismus" stützen, eng angelehnt an die nationalrevolutionäre Spielart des Nationalsozialismus der Brüder Gregor und Otto Strasser. Im Vordergrund stehen die rassenbiologisch begründete militante Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus in Form der "jüdisch-kapitalistischen Weltverschwörung, die Negation des Holocaust und der Gedanke der Volksgemeinschaft.

Die NF fordert die Revision des derzeitigen Grenzverlaufes im Osten, da es sich bei der Oder-Neiße-Grenze nur um eine "diktierte Kriegsgrenze" handle. Parallel dazu steht die Feststellung, daß Deutschland seinen "Volksraum weitgehend verloren" habe, also faktisch derzeit ein Volk ohne Raum sei, zusätzlich durch die Einwanderung von Millionen Ausländern in seiner "Volksidentität", seinen "Lebenswerten" und seiner "Lebensart" bedroht.

Interessant ist, daß die Propagierung eines dritten Weges jenseits von Kapitalismus und Kommunismus, die Schaffung von "Volksdemokratien" nach der Weltrevolution sowie die starke Kritik an der "imperialistischen Wirtschaftspolitik" besonders bei den Jugendlichen in den neuen Bundesländern starke Resonanzen hervorrief. Bedeutsam hierfür war die Erklärung der Nationalistischen Front zum "Anschluß der 'Deutschen Demokratischen Republik' an die 'Bundesrepublik Deutschland', in der es hieß: "Der Anschluß der 'DDR' ...ist Teil einer großangelegten und langfristig planenden Osteuropa-Strategie der westlichen, kapitalistischen Welt. Zweck dieses Planes ist die Vergrößerung der Absatzmärkte sowie der Zuwachs an Boden und Produktionsmitteln. Das Ziel: Vermehrung von Macht und Profiten."

Die NF verfügt über beste Kontakte zu zahlreichen rechtsextremen Parteien und Gruppierungen im In- und Ausland. Genannt werden sollen aus der Fülle nur die Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V., die Wiking Jugend, die Nationale Liste Hamburg, in Brandenburg bestehen gute Verbindungen zu den Republikanern und der Deutschen Liga für Volk und Heimat. International verflochten ist die Nationalistische Front u.a. mit dem spanischen CEDADE und dem Ku-Klux-Klan.

Fahnenblöcke der Nationalistischen Front waren auf allen großen Demonstrationen anzutreffen, besonders gut organisiert während der Aufmärsche auf dem Soldatenfriedholf in Halbe bei Berlin anläßlich der Volkstrauertage ("Heldengedenken") 1990 und 1991 sowie bei den Rudolf-Hess-Gedenkmärschen.

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